Antikriegstag: 01. September 2010 / Heilbronn Ehrenhalle
Gedenkrede: Dorothea Braun-Ribbat
(es gilt das gesprochene Wort)

Krieg ist niemals eine Lösung

Dieser Spruch aus Zaire, dem kriegsgebeutelten Land stand auf einem Kalenderblatt, das über dem Schreibtisch im Zimmer eines Tagungshauses in Oberfranken, in dem ich mich die letzten drei Tage lang aufgehalten habe, zu lesen war.
 
Krieg ist niemals eine Lösung!

Bei uns sind es seinerzeit die Frauen gewesen, die diese Einsicht als erste formuliert, aber vor allem laut ausgesprochen haben.
Frauen für den Frieden – über sie mochte ich heute in meiner Gedenkrede sprechen: an die Friedenspionierinnen (um so einen widersprüchlichen militaristischen Begriff zu nehmen) möchte ich erinnern und am Beispiel meiner bewunderten Freundin Karola Bloch ( der „Sozialistin mit dem großen Herzen“, wie mein Mann, Eberhard Braun es einmal in einer Buchwidmung formuliert hat) möchte ich an das Engagement der „Frauen für den Frieden“ erinnern und zugleich dazu ermutigen. Zu Beginn dieser Erinnerung an „Frauen für den Frieden“ möchte ich mit Zitaten weitgehender Passagen von Karola Bloch’s Buch  „Die Sehnsucht der Menschen ein wirklicher Mensch zu werden“ (Bd 1 Hrg von Anne Frommann und Welf Schröter, Talheimer) das verdeutlichen und die Worte einer Friedenskämpferin setzen; Margarethe Selenka schrieb 1900-  also vor 110 Jahren: „Antikriegsbewegung ist ein Kampf für die Gewalt des Rechts – gegen das Recht der Gewalt!“.

Bei uns im deutschsprachigen Raum war Bertha von Suttner’s Buch: „Die Waffen nieder“(1889) das Signal für die Frauen, sich verstärkt für den Frieden einzusetzen und unter der Losung „Kampf dem Krieg“ für ein friedliches Zusammenleben der Völker zu werben.

Bertha von Suttner gründete 1891 die österreichische und 1892 die deutsche Friedensgesellschaft. Sie stellte Forderungen auf, den Krieg nicht als Mittel zur Schlichtung von Streitigkeiten zu benutzen, verlangte Rüstungsstopp und forderte öffentlich Unterstützung der Friedensidee ein.

Das geschah zu einer Zeit, als die Frauen weder Stimmrecht hatten, noch einer politischen Partei angehören durften.
Bertha von Suttner erhielt als erste Frau den Friedensnobelpreis.
Sie muss eine ungeheuer mutige und couragierte Frau gewesen sein, die sich in einer männerdominierten Welt mit starken militaristischen Tendenzen (nicht lange danach brach ja der 1. Weltkrieg aus) wohl schwer behaupten musste.

Wenn ich über Bertha von Suttners Leistung als Vorkämpferin der „Frauen für den Frieden“ lediglich aus der Geschichte, aus der Literatur erfahren konnte, habe ich Karola Bloch die „Architektin, Parteigängerin der KPD, politische Rednerin und analytische Publizistin“ (Welf Schröter in „Die Sehnsucht des Menschen“ a.a.O. S. 9) 1972 in Tübingen kennen gelernt, habe mit ihr in dem Verein „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Resozialisierung jungendlicher Strafentlassener) zusammengearbeitet, war ihr freundschaftlich, Frauen- und Friedensbewegt verbunden und habe zeitlebens ihre Haltung bewundert, eine Haltung die Karolas Ehemann, der Philosoph Ernst Bloch, den „aufrechten Gang“ genannt hat.

Karola Bloch ist für mich ein leuchtendes Vorbild dafür, dass es notwendig und wichtig ist, sich gesellschaftlich zu engagieren, sich einzumischen und – auch wenn man manchmal dafür Prügel bekommt- zur rechten Zeit auch unbequeme Wahrheiten zu benennen und Position zu beziehen, beziehungsweise für diese Position auch einzustehen.
Und für mich ist sie ein Erleben dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit der beste Beweis dafür, dass politisches und gesellschaftliches Engagement keine Frage des Alters ist:
Mit 65 Jahren- also 1 Jahr älter als ich gerade bin – beginnt Karola Bloch in Tübingen nach dem Tod ihres Mannes eine neue Phase gesellschaftspolitischen Engagements - und mit 82 Jahren erhält sie die Nachricht von dem gegen sie eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zu strafbaren Handlungen und Nötigung der Bonner Staatsanwaltschaft, weil sie – zusammen mit anderen – zur gewaltfreien Sitzblockade vor Atomraketenstützpunkten aufgerufen hatte. Ich erinnere hier in Heilbronn an unsere Martha Kuder, die ins Frauengefängnis nach Gotteszell ging.
Auch in ihrem - ihr Leben lang dauernden - Engagement für den Frieden war sie, die unbarmherzig die Rüstung anklagte und für den Abbau der Atomraketen eintrat, stets für mich und viele Frauen ein großes Vorbild.
Ein interessantes aber auch schwieriges Leben: Karola Bloch, geborene Piotrkowska, wurde am 22,01.1905 in Lodz /Polen geboren. (Ihre gesamte Familie kam 1942 ins Warschauer Ghetto und wurde dort getötet).
Sie hat den 1. Weltkrieg mit ihrer Familie in Moskau verbracht, und erlebte dort – als 12 Jährige- die russische Revolution, (1918 Rückkehr nach Lodz) ein prägendes Erlebnis.
1921 geht sie mit ihrer Familie nach Berlin (vorher Ausbildung zur Kunsthandwerkerin ) und studiert an der TH Charlottenburg Architektur. Seit 1929 war sie mit Ernst Bloch befreundet und geht mit ihm 1933 nach Zürich, wo sie 1934 an der ETH ihr Diplom als Architektin macht.
Sie heiratet 1934 Ernst Bloch und emigriert mit ihm nach Wien, Paris, Prag und mit dem inzwischen geborenen Sohn Jan Robert in die USA, wo sie für den Unterhalt der Familie sorgt während Ernst Bloch am „Prinzip Hoffnung“ schreibt.
Viele Exilanten (Schriftsteller) hatten das gleiche Schicksal...
- > Hinweis auf Brecht Zitat: „Öfters die Länder als die Schuhe wechselnd“.
Es ist hier nicht genügend Raum, um Karola Bloch, diese beeindruckende, außergewöhnliche Persönlichkeit wirklich angemessen und umfassend darzustellen.
Aber ich möchte am Beispiel ihrer Person auf das lang anhaltende Engagement der Frauen für den Frieden hinweisen, das bis in die jüngste Zeit sich in immer wieder neuen Formationen beweist – ich verweise auf die irischen Friedensfrauen, die Mütter von der Plaza Major bis hin zu aktuellen Frauen-Friedens-Initiativen.
„Beharrlich erinnern“ so lautete der Titel eines Büchleins, das die Heilbronner Friedensbewegung 1985 herausgegeben hat; wir sollten uns heute, am Antikriegstag, auch beharrlich erinnern, welche Ziele uns wichtig sind und unsere Stimme erheben.
Karola Bloch hielt 1983 viele Reden gegen den Krieg und für den Frieden, während einer Aktionswoche  der Friedensbewegung:
sagte sie z.B. „ Wir Frauen, die wir noch mehr als die Männer unter Kriegen leiden, sagen: nie wieder Krieg“.
Wir sind für eine atombombenfreie Welt, für Entmilitarisierung, für Abrüstung und wollen statt Feindbildern Vertrauen und Freundschaft zwischen den Völkern“ (Korola Bloch: „Die Sehnsucht des Menschen...“ S. 108 ) und sie sagt bei einem Internationalen Kongreß „Kultur des Friedens“ im Jahr 1988, 5 Jahre später:
„Kultur des Friedens bedeutet Gegenentwurf zu einer Welt mit Krieg, Hunger, Hass, Ausbeutung, Zerstörung der Natur und der menschlichen Persönlichkeit“ (Karola Bloch: „Die Sehnsucht des Menschen...“  S 158)

Karola Bloch, eine großartige Frau mit bewundernswerter Courage, menschlicher Wärme und beispielhaftem Engagement, sie hat das als Haltung vorgelebt, was Ernst Bloch einmal so beschrieben hat: „ Es gibt Dinge in der Welt, über die ein anständiger Mensch nicht verschiedener Meinung sein kann“.
Danke fürs Zuhören und danke fürs Weiterdenken.