"Friedensratschlag"
verurteilt israelische Luftangriffe auf Gaza
Pressemitteilung des
Bundesausschusses Friedensratschlag
- Israelische Kriegshandlung
wie seit 1967 nicht mehr
- Versagen des Nahost-Quartetts
- Steinmeiers "politische
Glanzleistung der besonderen Art"
- Gewalt kann mit
Krieg nicht beendet werden
- Briefe an israelische
Botschaft angekündigt
Kassel, 28. Dezember
2008 - Zu den verheerenden israelischen
Bombenangriffen auf
den Gazastreifen erklärten für den Bundesausschuss
Friedensratschlag
dessen Sprecher Dr. Peter Strutynski und der
Nahostexperte Prof.
Dr. Werner Ruf in einer ersten Stellungnahme:
Bei israelischen Luftangriffen
auf den Gazastreifen sind am 27. Dezember
mindestens 200 Menschen
getötet und über 275 Menschen verletzt worden.
Noch nie sind bei
Kampfhandlungen seit dem Sechstagekrieg 1967 so viele
Palästinenser
an einem einzigen Tag getötet worden.
Dass der Angriff Israels
auf den Gazastreifen, das am dichtesten
besiedelte Gebiet
der Welt, am Shabbat erfolgen würde, hatte niemand
gedacht, wohl auch
nicht die Bevölkerung dieses Elendsgebiets. Zumal die
israelische Regierung
einen Tag zuvor der im Gazastreifen regierenden
Hamas ein Ultimatum
von 48 Stunden gestellt hatte, die Raketen- und
Mörserangriffe
auf israelisches Gebiet einzustellen. Doch Israel wartete
das Ende des Ultimatums
nicht ab, sondern wurde wortbrüchig und begann
bereits nach weniger
als 24 Stunden mit den tödlichen Luftangriffen.
Vorherzusehen war der
Angriff gleichwohl. Israels Premierminister hatte
ihn angekündigt
und dem Sender al arabiya gegenüber erklärt: "Ich denke
an die Zehntausende
Kinder und Unschuldige, die als Ergebnis der
Hamas-Aktivitäten
gefährdet werden." (FAZ 27.12.2008). Weder die USA
noch das Quartett,
bestehend aus den USA, den UN, der EU und Russland,
die den Friedensprozess
im Nahen Osten begleiten sollten, fühlten sich
offenbar berufen,
Druck auf Israel auszuüben, um die mörderischen
Bombardements zu verhindern.
Eine politische Glanzleistung der
besonderen Art vollbrachte
der deutsche Außenminister Steinmeier, als er
in einem Interview
mit "Bild am Sonntag" Hamas zum "sofortigen und
dauerhaften" Ende
der Raketenangriffe auf Israel aufforderte, von Israel
dagegen nur "Zurückhaltung"
bei ihren Militäraktionen verlangte, die
ansonsten zu ihrem
"legitimen Recht" gehörten.
Schuld an all dem Elend
ist aus israelischer Sicht die diabolisierte
Hamas, die in Gaza
die Herrschaft ausübt. Vergessen wird, dass im Juni
zwischen ihr und Israel
eine Waffenruhe vereinbart wurde, die im Großen
und Ganzen auch eingehalten
wurde, bis Anfang November Israel mit
"vereinzelten Schlägen"
mehre Hamas-Milizionäre "gezielt tötete".
Unterschlagen wird,
dass Israel einen Monat lang weder Nahrung noch
Treibstoff noch Hilfslieferungen
in das Gebiet ließ. Von Hamas lag ein
Angebot vor den Waffenstillstand
fortzusetzen. Noch am 22. Dezember
behauptete zwar das
israelische Außenministerium: "Israel ist an einer
Fortsetzung der Waffenruhe
interessiert und nicht an einer
Militäroperation",
es weigerte sich aber, auf das Hamas-Angebot unter
den gegebenen Bedingungen
einzugehen. Dies drängt die Vermutung auf, es
handele sich bei diesem
fürchterlichen völkerrechtswidrigen Angriff
weniger um eine der
vielen "Vergeltungsaktionen" als vielmehr um
Wahlkampf: Im März
wird in Israel gewählt, und erstmals liegt die
Kadima-Partei von
Olmert und Livni knapp vor dem rechten Likud des
Herausforderers Netanyahu.
Die Eskalation der
Gewalt hat ihre Wurzeln vor allem im Ergebnis der
palästinensischen
Wahlen vom Januar 2006, den ersten wirklich freien
Wahlen in der arabischen
Welt, in denen die Hamas die Mehrheit der
Stimmen gewann. Der
Westen erkannte die damals gebildete Regierung nicht
an, Israel verhaftete
-- mit Unterstützung der palästinensischen
Autonomiebehörde
unter Mahmud Abbas - zahlreiche Minister und
Abgeordnete, die z.
T. bis heute im Gefängnis sitzen. Erst dies führte
dazu, dass die Hamas
im Gazastreifen allein die Macht ergriff. Doch
nicht nur ihre Angebote
für eine dauerhafte Waffenruhe, auch das
Angebot, Israel anzuerkennen,
wenn dieses die besetzten Gebiete als
Staatsgebiet eines
palästinensischen Staates anerkennen würde, blieben
ohne positive Reaktion.
Es ist eine Illusion
zu glauben, der nun eingeleitete Krieg gegen die
Bevölkerung von
Gaza könnte die Gewalt beenden. Das Gegenteil wird der
Fall sein: Die Wut
einer Bevölkerung, die so oder so nichts als ihr
Leben zu verlieren
hat, wird Israel nicht sicherer machen. Einen Frieden
im israelisch-palästinensischen
Konflikt kann es erst geben, wenn alle
Konfliktparteien gleichberechtigt
am Verhandlungsprozess beteiligt werden.
Der Bundesausschuss
Friedensratschlag verurteilt die israelischen
Luftangriffe, die
gegen die Genfer Konvention verstoßen und zur weiteren
Eskalation des israelisch-palästinensischen
Konflikts beitragen. Eine
Rückkehr zur
Waffenruhe wird aber auch von der Hamas im Gazastreifen
verlangt.
Der Bundesausschuss
Friedensratschlag appelliert an die Friedensbewegung
und an alle anderen
politischen Kräfte, auch während der Feiertage alles
zu tun, um ihre Stimme
gegen die israelischen Luftangriffe zu erheben.
Hilfreich könnten
Briefe an die israelische Botschaft in Berlin sowie an
das deutsche Außenministerium
sein. Wo es möglich ist, sollten lokale
Friedensgruppen mit
Informationsständen und Mahnwachen auf die prekäre
Lage im Nahen Osten
aufmerksam machen. Sowohl die Bevölkerung des
Staates Israel als
auch die Palästinenser haben ein Recht auf ein Leben
in Sicherheit.
Für den Bundesausschuss
Friedensraschlag:
Dr. Peter Strutynski
(Sprecher)
Prof. Dr. Werner Ruf