Berliner Verweigerer

Die Bundesregierung wehrt sich gegen Kriegseinsätze in Afghanistan - und das ist auch gut so.

Kommentar von Siegfried Lambert, Politik Redakteur
12.02.2008  Heilbronner Stimme

Wer A sagt, muss nicht B sagen, hat Bertolt Brecht einmal festgestellt. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Wenn die Bundesregierung den in der Politik nicht gerade beliebten Satz beherzigt, müsste sie auf dem Absatz kehrt machen und unsere Soldaten aus Afghanistan zurückholen.

Die Lage
Das Eingeständnis, dass der Westen am Hindukusch gescheitert ist, mag schwer fallen. Aber lassen die Realitäten rings um Kabul einen anderen Schluss zu? In der Krisenregion, die mit Tausenden fremder Soldaten vor Terror und Gewalt geschützt werden soll, häufen sich die Anschläge. Der religiöse Fanatismus stirbt nicht ab, sondern blüht auf. Das Verbrechen organisiert sich in Form von Drogenbaronen, die Afghanistan inzwischen zum weltweiten Hauptlieferanten von Heroin aufsteigen ließen. Der Einsatz in Afghanistan ist zu einer „Mission impossible“ geworden. Er hilft dem Land nicht in die Gegenwart und den Menschen nicht aus dem Chaos.

Die Forderung
Spätestens seit der Sicherheitskonferenz von München ist klar, dass die USA den Deutschen eine gefährliche Rechnung aufmachen. Verteidigungsminister Gates bedient sich dabei der Nato als verlängertem Arm Washingtons. Es ist eine falschverstandene Bündnistreue, die er einfordert, wenn er die Gefahr einer Zwei-Klassen-Allianz an die Wand malt und das alte Schuldgefühl bemüht, mit dem Deutschland seit Jahren leben muss. Ja, es gibt Staaten, die an der Seite der Vereinigten Staaten bereit sind, in Afghanistan „zu kämpfen und zu sterben, und andere, die nicht dazu bereit sind“. Die Bundesrepublik stellt sich quer, und das ist gut so. Wie lange sie das noch durchhält, ist allerdings fraglich.

Die Strategie
Die Nato plagt das gleiche Problem wie die Große Koalition: Beide haben keine Vorstellung darüber, wie die sicherheitspolitische Architektur der Zukunft aussehen soll. Die Allianz wurde als reines Verteidigungsbündnis für Europa gegründet. Mit dem Verlust des Feindbilds Sowjetunion ging die Geschäftsidee verloren. Jetzt sucht das Bündnis nach Aufgaben, um den Militärapparat und die Milliardenausgaben zu rechtfertigen. Für den Anti-Terror-Kampf, das scheint allerdings immer klarer, ist die Nato das falsche Instrument. Am Beispiel Irak und Afghanistan lässt sich belegen, dass Panzer und Soldaten weder radikale Gruppen wie El Kaida noch Koran-Extremisten wie die Taliban aufhalten. Militärische Mittel sind kein taugliches Rezept gegen den Terror.

Die Konsequenz
Die Bundesregierung sollte diesen Fehler zum Thema machen und im Bündnis eine vernünftigere Strategie einfordern, die der zivilen Komponente und der Diplomatie mehr Raum lässt. Es gibt zurzeit leider keinen Politiker vom Format Joschka Fischers, der es – wie der Grüne vor fünf Jahren – wagt, die Sinnfrage zu stellen. Damals schleuderte er dem US-Verteidigungsminister bei der Münchener Sicherheitskonferenz sein „I am not convinced – ich bin nicht überzeugt“ entgegen. Wenige Monate später begann der Irak-Krieg. Jetzt stellen die USA erneut Forderungen, weil sie den enormen Blutzoll und die gigantischen Kosten nicht mehr alleine tragen wollen, den ihr Anti-Terror-Kreuzzug fordert. Ein klares Nein aus Berlin ohne jede Ausrede wäre vernünftig. Dazu fehlt aber ganz offensichtlich der Mut. Leider.