Silke Ortwein, Vorsitzende des DGB Stadt- und Kreisverband Heilbronn
Begrüßungsrede am 1. September 2016 zum Antikriegstag
Nichts Bessers weiß ich mir
an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg
und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein
Gläschen aus
Und sieht den Fluss hinab die bunten
Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach
Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
(Goethe, Faust)
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Ich darf Sie / ich darf Euch alle mit diesem historischen Zitat aus Goethes Faust – das leider von beklemmender Aktualität ist, ganz herzlich hier in Heilbronn zur Gedenkstunde anlässlich des heutigen Antikriegstages im Namen der Friedensbewegung Heilbronn und des DGB Stadt- Kreisverbandes Heilbronn begrüßen.
Der Antikriegstag ist ein Tag des
Erinnerns und des Mahnens. Europaweit forderte der Vernichtungskrieg, der
am 1. Sep. 1939 mit dem Überfall Nazi Deutschlands auf Polen begann,
60 Millionen Tote!
Und heute ist klarer denn je: Friede
wird es nicht, indem wir Krieg führen!
Die Zahl der Kriege und kriegerischen
Auseinandersetzungen, steigt stetig.
Die Zahl der Menschen, welche sich
auf der Flucht befinden, war nach den neuesten statistischen Daten im Jahr
2015 bereits auf 63,5 Millionen gestiegen…Würden diese Menschen alle
zusammen einen neuen Staat bilden, so wäre dies gemessen an der Anzahl
seiner Einwohner der 21-größte Staat der 193 Staaten dieser
Erde!
Das Ziel jeglicher Friedenspolitik, die Aussicht auf Erfolg haben möchte, muss es sein, die sozialen, ökonomischen und politischen Ursachen von Kriegen zu beseitigen.
Europa muss endlich entschlossenen
gegen Armut und für die Schaffung sozialer Sicherheit, Teilhabegerechtigkeit
und Chancengleichheit eintreten…Nicht Schuldenerlasse oder Bankenrettungen
machen eine Solidargemeinschaft aus: die Frage der Angleichung von sozialen
Standards, der Lebensbedingungen von Menschen in den einzelnen Ländern
muss endlich gelöst werden!
Doch leider schließt Europa
lieber mit einem Herrn „Erdogan“ einen zweifelhaften Pakt und hält
an diesem fest … riskiert damit Frieden und Freiheit vieler Menschen und
macht sich erpressbar, als dass man sich darauf einigen würde, gemeinsam
die Aufgabe zu stemmen und die humanitären und asylrechtlichen Grundrechte
von Menschen in Europa umzusetzen. Und wie Herr Erdogan zu demokratischen
Grundrechten steht, dazu konnte jede und jeder sich selbst in den letzten
Wochen ein eigenes Bild machen.
Unsere Forderung steht:
Die Würde des Menschen ist
unantastbar!
Dieser Satz muss in ganz Europa
gelebte Realität werden!
Die schrecklichen Taten von Einzelpersonen
und Anhängern des IS, die in den letzten Wochen und Monaten, viele
Menschen bewegten und verunsicherten, führen zu weiteren Ausgrenzungen
vieler Flüchtlinge.
Dass diese Terroristen sich unter
die Flüchtlinge gemischt haben oder aus ihnen heraus sich radikalisieren,
darf unsere Bemühungen um die Integration nicht hemmen – im Gegenteil:
Je weniger die Geflüchteten für sich eine Perspektive sehen,
umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer der
perfiden pseudoreligiösen Demagogen werden und sich radikalisieren.
Der Terror des IS ist aus meiner
Sicht einer der perfidesten und erfolgreichsten Kriege welche die Erde
je erlebt hat: Denn diese Art der „entorteten“ Kriegsführung, die
nicht mehr auf ein Gebiet, ein Land eine Region zielt sondern eine Gesellschaft
ins Visier nimmt, versetzt Menschen rund um den Erdball – insbesondere
aber auch in den bislang friedlichen Regionen Europas in Angst und Schrecken.
Leidtragende sind zunächst die direkten Opfer der Attentate.
Doch nicht nur auf sie zielt die
Gewalt: So wirken die Angst und Schrecken tief in die Gesellschaft hinein
– und sorgen dafür, dass die Menschen, die einst vor diesem Terror
flohen nun mit den Tätern gleichgesetzt und ausgegrenzt werden.
Wohl weniger die Lust am Tötungsvorgang
selbst treibt die Kämpfer des IS an. Die Chance Macht über andere
zu haben scheint neben den religiösen Gründen eine viel stärkere
Triebfeder zu sein! So gibt es immer neue Nachahmer, welche darin häufig
ihre einzige Möglichkeit sehen, selbst Macht über andere auszuüben.
Mit einem Sprengstoffgürtel
unerkannt durch eine Menschenmenge zu laufen, und dabei die Macht zu spüren,
alle diese Menschen zu töten und dies selbst zu entscheiden, ist eine
wohl für bestimmte Menschen faszinierende aus meiner Sicht aber unglaublich
perverse Form der Machtausübung über andere. Die Aussicht bei
diesem Spiel selbst das Leben zu verlieren, scheint bei der Entscheidung
weniger schwer zu wiegen, als die zweifelhafte Ehre als IS Kämpfer
in den sozialen Netzwerken posthum eine Art Märtyrerstatur für
den radikalen Islam einzunehmen.
Das ist erschreckend – nicht nur
für uns! – Die Menschen, welche ihre Heimat verlassen haben, sind
genau vor derartigen Menschen und ihren radikalen Tötungsphantasien
geflohen. Sie müssen nun feststellen, dass dieser perfide Krieg und
seine Krieger ihnen gefolgt sind. Nun werden sie erneut zu Opfern- zumindest
indem sie als Tarnung missbraucht werden. Dieses Vorgehen verstärkt
die ohnehin vorhandenen Vorurteile Ihnen gegenüber, sowie die allgemeine
Ausgrenzung von Fremden in unserer Gesellschaft.
Wir dürfen Ausgrenzungen und Diffamierungen nicht zulassen: Rechtsextremismus und Rassismus darf in Europa – bei uns – in unserer Gesellschaft kein Raum gegeben werden.
Und weil Frieden auch immer derer
bedarf, die ihn leben bin ich froh, dass heute wieder so viele hier her
gekommen sind um ein Zeichen zu setzen:
Wir alle stehen in der Verantwortung,
den Schwur von Buchenwald Realität werden zu lassen:
Nie wieder Faschismus – nie wieder
Krieg!
Vielen Dank!
(es gilt das gesprochene
Wort)
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Nun wird Jürgen Wagner Politikwissenschaftler und Geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung zu uns sprechen.
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Wir gehen jetzt in die Ehrenhalle,
wo wir nach dem Musikstück einen Kranz im Gedenken an die Opfer von
Verfolgung, Krieg und Gewalt niederlegen werden.
Wir wollen nun gemeinsam schweigend
der Opfer von Krieg und Gewalt und des Naziterrors zu gedenken.
Ich danke Ihnen!
Nun singen wir gemeinsam das Moorsoldatenlied
und danach gehen wir gedenkend in der Stille auseinander..