Auch der dritte
Bericht des UN-Chefinspekteurs für den Irak, Hans Blix, hat der US-Regierung
keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, die Waffeninspektionen für
gescheitert zu erklären und einen Krieg zu beginnen. Im Gegenteil:
Obwohl Umfang und Tempo der Waffenkontrollen zugenommen haben, konnten
keine wirklich ernsthaften Verstöße Iraks gegen die UN-Resolution
1441 (2002) festgestellt werden. Nach Aussagen der Waffeninspekteure hat
sich auch die Kooperationsbereitschaft der irakischen Seite beträchtlich
erhöht und konnten mit der Zerstörung der Al-Samoud-2-Raketen
weitere Fortschritte bei der Entwaffnung des Irak erzielt werden.
Die Friedensbewegung
hofft, dass die Inspektionen solange weiter geführt werden können,
bis auch die letzten Zweifel darüber ausgeräumt sind, dass der
Irak seinen Nachbarn militärisch gefährlich werden könnte.
Des Weiteren fordert die Friedensbewegung, dass die Waffeninspektionen
im Irak weltweit Schule machen. Das Aufspüren verbotener Waffen -
und die Herstellung und der Besitz von Bio- und Chemiewaffen ist durch
internationale Konventionen verboten - muss zu einem allgemeinen Prinzip
der Vereinten Nationen erhoben und auch in solchen Staaten durchgesetzt
werden, die sich solchen Kontrollen bisher verschließen.
Die unnachsichtige
Haltung der US-Administration in der Irakfrage stellt eine ernste Gefahr
für den Weltfrieden und für den Bestand der Vereinten Nationen
dar. Selten zuvor waren die USA so isoliert wie heute. Während die
Weltöffentlichkeit, die großen Religionsgemeinschaften, die
großen Gewerkschaftsbünde und die meisten Regierungen einen
Krieg gegen Irak für falsch, gefährlich und völkerrechtswidrig
halten, wollen die USA und eine kleine "Koalition der Willigen" ihren Kriegskurs
dem Rest der Welt aufzwingen. Sollte es zum Angriffskrieg gegen den Irak
kommen, wird das die Welt in einem dramatischen Ausmaß gegen die
USA und ihre Verbündeten aufbringen. Der Angriff richtet sich gleichzeitig
gegen die Vereinten Nationen und das in der UN-Charta kodifizierte allgemeine
Gewaltverbot.
Die Friedensbewegung
ruft zur Verteidigung der Vereinten Nationen und der Prinzipien des Völkerrechts
auf. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats dürfen den Drohungen und
Verlockungen der US-Regierung nicht nachgeben, sondern müssen ihre
Entscheidung unabhängig von Pressionen treffen können. Nach Artikel
50 bis 52 des "Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge"
sind internationale Vereinbarungen nichtig, wenn sie durch "Bestechung"
oder "Zwang" zustande kommen.
Die von der
US-Administration ins Spiel gebrachte 10-Tages-Frist, innerhalb deren der
Irak offengelegt haben soll, was die US-Regierung behauptet, bedeuten eine
bedrohliche Zuspitzung der Lage. Dieser Zeitraum muss auch von der weltweiten
Friedensbewegung genutzt werden, um den Druck auf Washington und London
weiter zu erhöhen und den Kriegstreibern in letzter Minute doch noch
in den Arm zu fallen.
Der Bundesausschuss
Friedensratschlag begrüßt in dem Zusammenhang ausdrücklich
den Beschluss des Europäischen Gewerkschaftsbundes vom 7. März,
als Form des Protestes gegen den drohenden Krieg am 14. März gegen
Mittag zu Arbeitsunterbrechungen ("work stoppages") aufzurufen. Die Friedensbewegung
hier zu Lande wird überall versuchen, dieser Forderung Nachdruck zu
verleihen und den betrieblichen Aktionen zum Erfolg zu verhelfen.
Am 15. März
werden in den USA und in Großbritannien wieder Millionen Menschen
gegen den Kriegskurs ihrer Regierungen protestieren und auf die Straße
gehen. Die Friedensbewegung in Deutschland wird - zusammen mit Friedensbewegungen
in ganz Europa und auf anderen Kontinenten - an diesem Tag ihre Solidarität
mit den anglo-amerikanischen Antikriegskräften bekunden. Ähnlich
wie am 15. Februar, als Millionen von Menschen weltweit gegen den Krieg
demonstriert haben, soll auch diesmal die neue "Internationale des Friedens"
ihren Friedenswillen bekunden. In Deutschland werden in zahlreichen Städten
sowie an US-Militäreinrichtungen Kundgebungen und Aktionen durchgeführt.
Der Bundesausschuss
Friedensratschlag ruft die Friedensbewegung überall im Land dazu auf,
solche Aktionen vorzubereiten. Es könnte die letzte Chance sein, den
breitesten Protest gegen den Krieg noch vor dessen Beginn zu organisieren.
Die Friedensbewegung
muss leider auch einkalkulieren, dass alle Proteste und Anstrengungen der
Weltöffentlichkeit, diesen Krieg doch noch zu verhindern, nicht zum
gewünschten Erfolg führen. Für diesen Fall werden die Aktivitäten
aber keineswegs abnehmen. Es herrscht Einverständnis, dass an dem
Tag, an dem der Krieg beginnt, im ganzen Land die Menschen in ihren Orten
an jeweils zentralen Plätzen zusammenkommen und ihre Betroffenheit
und Wut über den Krieg auszudrücken. Die entsprechenden Aktionen
(von der Mahnwache bis zur Demonstration und Kundgebung) finden im Zeitraum
von 17 bis 19 Uhr statt. Vereinbart ist auch, dass an dem dem Kriegsbeginn
folgenden Samstag Großdemonstrationen und -kundgebungen in allen
Regionen Deutschlands stattfinden werden.
Der Bundesausschuss
Friedensratschlag wird im Fall eines Krieges den Druck auf die Bundesregierung
erhöhen, jegliche materielle Unterstützung für den US-Krieg
einzustellen (z.B. keine Überflugrechte für US-Militärmaschinen,
keine Nutzung der US-Militärbasen auf deutschem Boden für den
Krieg). Das Nein der Bundesregierung zum Irakkrieg darf nicht durch die
Hintertür zu einem Ja umgemünzt werden.
Für den
Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski,
Kassel (Sprecher)
Kassel, den
10. März 2003